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Soshana
erschienen in "The Mainichi", Japan, 18. März, 1957

Kassandra der Leinwand nannte man sie und auch Prophetin des Unheils, Künstlerin des atomaren Zeitalters, Malerin der Beklemmung und Einsamkeit, des Leidens und Wahnsinns, der Arbeitslosigkeit, des Schmerzes und des Todes.

Kritiker schrieben über die "tragische Stimmung ihrer gespenstischen Bilder". Sie schrieben über "Betrübnis und düstere Vorahnungen, über die Rebellion, die ihren Pinsel führt und ihre Farben auswählt. Sie schrieben über "weißen Zerfall, düstere Einsamkeit, aufwühlende Vernichtung, die ihren Launen Farbe geben und auf eine geradezu morbide Ratlosigkeit hinweisen."

Aber Soshana, die noch keine 30 ist, genügen die Worte Picassos.
Der Meister meint: "Ich finde, sie verfügt über großartige Gaben."

Soshana Afroyim wurde in der Zwischenkriegszeit in Wien geboren und wuchs in London während der Luftangriffe auf. Sie erreichte die künstlerische Reife in New York in einer Zeit, als man sich dort des Krieges bewusst war und sie ließ sich schließlich im desillusionierten Nachkriegs-Paris nieder, um dort zu arbeiten.

Nach kurzen, experimentellen Ausflügen in die Welt des Realismus und des Expressionismus, befasst sie sich nun, wie der französische Kritiker Descargues sagt, mit den "dunkelsten Nischen" der abstrakten Kunst.

Bilder wie "Fury of the Marshes" (Die Marschwut), "Chrysanthemum and the Spider" (Die Chrysantheme und Spinne), "Dead City" (Tote Stadt), "Sad Flowers" (Traurige Blumen), "Pain" (Schmerz), "Solitude" (Einsamkeit), "Disintergration" (Zerfall), "Bombed-out" (Ausgebombt), "Church" (Kirche) und "The Wandering Jew" (Der ewige Jude) drücken ihre Gedanken, Gefühle und Visionen aus.

Sie sind Ergebnis der endlosen Stunden im Pariser Atelier, in der Rue de la Grande Chaumiere, wo schon Paul Gauguin früher arbeitete.

Politik, Philosophie, Tumulte in Europa, das heitere Leben in Paris, das alles ist von keiner Bedeutung für sie. Sie hält Abstand davon. Soshana sagt: „Ich male. Das ist das, was ich machen möchte. Das ist das, wozu ich mich berufen fühle.“

Sie benutzt vorwiegend Ölfarbe und chinesische Tinte. Sie kombiniert das Abstrakte mit dem Realen auf der Leinwand, so wie es ihrer Meinung nach die Natur selbst macht.

Ihre Arbeit, ihre Szenen, ihre Figuren sind düster. Menschen und Landschaften sind Gestalten und Szenen der Verzweiflung. Es scheint, als ob ihre Augen auf rote und furchterregende Dämmerungen, auf verwüstete Bäume und einen finsteren Himmel und auf eine Verkrampfung der Erde, blicken. Sie verbildlicht polarkreis-ähnliche Landschaften, Fragmente vom nahenden Ende der Welt, wo blattlose Bäume ihre zerrütteten Glieder zur Schau stellen, wo die Sonne wahrscheinlich letztmalig in nebligen Ruinen untergeht, im Schnee und Sand des letzten Tages. In all ihren Gemälden kommt etwas Unheimliches und Grausames vor.

Diese junge Frau malt tatsächlich so wie Kafka schrieb, wie Eliot schreibt und Malraux schreibt und Dreiser schrieb und Zola schrieb.

“Ich bin mir der Bäume und der schrecklichen Dinge, die wir Menschen mit ihnen anstellen können, bewusst” erklärt Soshana, “als Kind liebte und brauchte ich Bäume. Es schmerzt mich und es hat auch schon immer geschmerzt, über die verletzten, zerrissenen und toten Bäume nachzudenken. Sie zu malen ist für mich eine Todesqual, ich stelle Zerstörung mit zerstörten Bäumen dar. Für mich ist das die Trennung von geliebten Dingen und Erinnerungen."

Die Eigenschaft der Zerstörung, die man in ihren Landschaften findet, findet sich auch in ihren Portraits von Menschen, besonders in The wandering Jew [Der Ewige Jude]. Hier ist das menschliche Elend, mit eingefallenen Wangen und alttestamentarischen Augen, der moderne Mensch verlassen, verloren stolpert er …. … in seiner Hoffnungslosigkeit. Man sieht die Hände und abgemagerten Knöchel. Die erschöpfte Krümmung in den Schultern. Der abgewetzte Mantel, der verblasste Schal, das große Bündel über die Schultern geworfen auf dem Rücken, alles was noch übrig geblieben ist vom menschlichen irdischen Besitz, so wie er am Rande der Ruinen dasteht. Das ist seine eigene Auffassung/Wahrnehmung.

"Ich habe schon immer alleine gelernt", sagt Soshana, "das wurde mir geraten und das war es, was ich schon immer machen wollte. Picasso hat mir dasselbe geraten. Er sagte, 'Gehe in dich und nicht woanders hin. Wenn du Sachen, die du ausdrücken möchtest, in dir selbst findest, wirst du sie malen. Wenn nicht, kann es dir keiner beibringen.'."

Und sie sagt, “Das Malen ist, glaube ich, die einzige Sprache die ich wirklich beherrsche, der einzige Weg für mich meine bewussten und unbewussten Gefühle über das Leben zum Ausdruck zu bringen."

Ihre Reisen führten sie nach Indien, Pakistan, Südasien und zuletzt nach Japan. Sie möchte auf Chinas Festland und vielleicht auch nach Tibet reisen. Dann wird sie wieder nach Paris zurückkehren, zu den anderen 50.000 Künstlern, von denen 5 berühmt sind, 500 damit ihren Unterhalt verdienen können und möglicherweise noch 1.000 gerade so durchkommen und der Rest am Verhungern ist.

Nur die tiefen Augen spiegeln und verraten, neben der Leichtigkeit und Mühelosigkeit dieses Mädchens, was in ihr glüht und brütet. Man sieht in ihr mehr die Geduld als die Rebellion, eher den Frieden als die Gewalt, und vor allem eine Gelassenheit, die selten in ihrem Alter zu finden ist.

Diese junge Frau kommt aus dem Herzen Europas und doch geht von ihr eine osteuropäische Anziehungskraft und etwas Geheimnisvolles aus, ein dunkeläugiger Tiefsinn, der eher auf Granada und Zigeuner hinweist; aber welche Zigeuner könnten so ruhig, so gelassen sein.

Man hat bei ihr das Gefühl, dass sie vor großer Angst und tiefem Schmerz geflüchtet ist, da ist etwas in ihr, was an die verbrannte Stadt, die leere Straßen, den Deportationszug, die frostige Zelle, den erhöhten Exekutionsplatz, das Lager des Todes erinnert. Und trotzdem sagt sie, dass nichts von alledem in ihrem eigenen Leben geschah. Nichtsdestotrotz hat all das zu der Welt, in der sie aufwuchs und lebte, gehört, und es ist sicherlich von Bedeutung für sie, wie all ihre Bildern zeigen. .

Man fühlt viele Dinge, wenn man mit Soshana spricht oder ihr zuhört. Die Stille eines Individuums, das an die eigenen Möglichkeiten und die eigene Gegenwart gewöhnt ist, etwas Beherrschtes, das tief in ihr verwurzelt ist. Man kann auch in ihren tiefen Augen, in ihrem leicht geöffneten Mund, und in ihrer ruhigen Art, in welcher so viele kindliche Elemente so unschuldig erscheinen, viel erkennen und natürlich erkennt man viel beim Betrachten ihrer wunderbaren Hände.

Wie Pablo Picasso glaubt man, "in ihr findet man viele Gaben."