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Wien: Hohe Auszeichnungen für "Weltenbürger" Afroyim und Daim

Rathauskorrespondenz vom 2.9.2009

Mailath-Pokorny unterstreicht "offenes humanistisches Denken" der Malerin Soshana Afroyim und Psychologen Wilfried Daim

Wien (RK). Die Schrecken, aber auch die Schönheiten des 20. Jahrhunderts hätten beide Persönlichkeiten erlitten und kennen gelernt, betonte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny am Mittwoch anlässlich der Überreichung hoher Ehrengaben der Stadt Wien an die 82jährige Künstlerin Soshana Afroyim (Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien) und den 87jährigen Psychologen und Publizisten Dr. Wilfried Daim (Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt). Beide stünden für ein "offenes humanistisches Denken", auch wenn die Lebenswege unterschiedlich verlaufen seien. Soshana Afroyim, geboren als Susanna Schüller, musste 1938 mit ihrer Familie aus Wien flüchten und verbrachte ihr weiteres Leben maßgeblich an den "Hot spots" der künstlerischen Avantgarde wie Paris oder New York. Wilfried Daim, der mit seiner Studie über den völkischen Esoteriker Jörg Lanz von Liebenfels ("Der Mann, der Hitler die Ideen gab") bekannt wurde, erlebte die Nazi-Zeit als Soldat und Gegner des braunen Totalitarismus. In den weiteren Jahren setzte sich der "Linkskatholik", so Norbert Leser in seiner Laudatio, mit Kirche, Militär und Zeitgeschehen publizistisch auseinander. Christian Kircher vom WienMuseum, der die Laudatio für Afroyim hielt, erinnerte an die schier unglaubliche Fähigkeit der Künstlerin, in der männlich dominierten Kunstavantgarde der 1960er Jahre als Frau und Malerin zu reüssieren. Das letzte Porträt des Schriftstellers Franz Werfels an dessen Totenbett stammt von ihr, Pablo Picasso porträtierte sie im Jahr 1954.

Daten und Lebenslauf zu Shoshana Afroyim

Rathaus01 Soshana Afroyim alias Susanna Schüler wurde 1927 in Wien geboren. Hier besuchte sie als Mädchen die berühmte Schwarzwald- Schule, die damals dezidiert Mädchen und jungen Frauen zu beruflicher Eigenständigkeit verhelfen sollte. Im März 1938, also nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland, floh ihre Familie aus Österreich über Umwege nach England, wo Schüller ab dem Jahr 1940 Malunterricht nahm.1941 emigrierte die junge Malerin nach Amerika, wo sie unter ihrem späteren Ehemann und Maler Beys Afroyim (1893-1984) ihre Kunstfertigkeiten noch ausbauen konnte. Im Jahr 1944 unternahmen die beiden ausgedehnte Reisen durch die Vereinigten Staaten, bei denen diverse Porträts bekannter emigrierter Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, wie etwa von Thomas Mann, Franz Werfel, Otto Klemperer oder Hans Eisler, entstanden. 1949 verließ Afroyim die USA. Es folgten Aufenthalte in Holland, England, Polen, aber auch in Österreich, wo ihr Vater wieder lebte. 1952 ließ sie sich, die 1948 in Havanna ihre erste eigenständige Ausstellung hatte, in Paris nieder. Es entstanden in dieser Zeit teils enge Freundschaften u.a. mit Jean Paul Sartre, Ossip Zadkine, Yves Klein oder Sam Francis. Hervorzuheben ist auch ihre künstlerische Bekanntschaft mit Pablo Picasso, der sie 1954 porträtierte. Große Reisen, u.a. nach Asien, Indien und Japan, aber auch nach Afrika, bestimmten die weiteren Jahre ihres künstlerischen Schaffens und weiteren Reifungsprozesses. 1972 siedelt sie nach Israel. Der Ausbruch des Yom-Kippur-Krieges (1973) veranlasste sie zur Übersiedelung nach New York. Seit Mitte der achtziger Jahre lebt die vielgereiste Künstlerin in Wien, wo immer wieder ihre Werke ausgestellt werden. So zuletzt vor zwei Jahren in der Galerie Prisma bzw. 2008 im mexikanischen Kulturinstitut.

Daten und Lebenslauf Wilfried Daim

Rathaus02 Prof. Dr.Wilfried Daim, Jahrgang 1923, studierte nach Kriegsende an der Universität Wien die Fächer Psychologie und Anthropologie, die er 1948 abschloss. Neben seiner Assistenten- Tätigkeit am Institut für Höhere Studien beschäftigte er sich in mehreren Büchern mit Themen der Psychoanalyse. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Psychologe und Schriftsteller mit seiner Studie über den völkischen Rassisten und Esoteriker Jörg Lanz von Liebenfels ("Der Mann, der Hitler die Ideen gab", 1958) bekannt. In den weiteren Jahren setzte sich Daim mit der Rolle der Kirche auseinander. Sehr wesentlich wurde sein mit August M. Knoll und Friedrich Heer herausgegebenes Buch "Kirche und Zukunft" im Jahr 1963, welches viele Inhalte des 2. Vatikanischen Konzils vorwegnahm. Später folgte eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Bundesheeres. Daim war übrigens im Jahr 1969 zusammen mit Günther Nenning (1921-2006) führender Protagonist des Volksbegehrens zur Abschaffung desselben. Neben seiner engagierten intellektuellen Tätigkeit, von denen unzählige Bücher Zeugnis ablegen, beschäftigte sich Daim ab den 1970er Jahren immer intensiver mit der Kunst der österreichischen Zwischenkriegszeit, die neben einzelnen Studien auch in zwei Ausstellungen aus seinen Sammlungsbeständen mündete. Daim gilt auch als Entdecker des völlig unbekannten Künstlers Franz Probst (1903-1980). Im Jahr 1981 erhielt Daim, der auch Kuratoriumsmitglied des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes ist, den Titel des Professors verliehen.

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/ma53/rkfoto/

Quelle: http://www.wien.gv.at/vtx/vtx-rk-xlink?SEITE=020090902009