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Melancholische Künstlerin,
"Statesman", Jan. 1957

"In Paris leben 50.000 Maler." sagte sie. "Fünf davon sind berühmt, 500 verdienen damit ihren Unterhalt und der Rest hungert. Die indischen Maler in Paris gehören zu der letzten Kategorie, ihr Kampf ums Überleben ist sehr hart."

Zu welcher Kategorie sie gehöre? Fragte ich gestern Abend Soshana Afroyim, die sich in ihrem Hotelzimmer in Neu Delhi mit zahlreichen Photographien ihrer Gemälde umgibt. Die in Wien geborene Malerin zögerte kurz bevor sie antwortete: "Ich bin zu jung. Maler brauchen Zeit um Anerkennung zu finden. Ein Schriftsteller kann durch ein einziges Buch berühmt werden, ein Maler nicht."

Die Künstlerin ist ein interessanter Fall. In der konkurrenzbetonten Welt von heute muss der Künstler - so wie jeder andere auch - für den Absatz seiner Ware sorgen. Soshana wurde sich dieser Tatsache bewusst, als sie vor fünf Jahren nach Paris ging.

Fünf Jahre lang hat sie in Gauguins ehemaligem Atelier gemalt. Die Ergebnisse dieser Arbeit – gemäß den Photographien, die ich gestern sah - lassen ein melancholisches Naturell erkennen. Sie ist Prophetin des Unheils – der atomare Kriegs, die Einsamkeit und Arbeitslosigkeit sind ihre Themen.

Soshana malt im expressionistischen Stil. Für sie gibt es keine Trennlinie zwischen realistischen und abstrakten Methoden. "Es kommt nicht darauf an, ob ein Gemälde im realistischen oder im abstrakten Stil gemalt wurde", erklärt sie. "Wichtig ist, dass die Bilder gut sind. Ich kombiniere beide Techniken in meiner Arbeit. Realismus und Abstraktionismus sind zwei Wege um die Welt mit unseren begrenzten Sinnen zu erfassen."

In solch einem umkämpften Markt zu arbeiten, weckte in Soshana das Verlangen eine Welt auszukosten, in der die Zeit keine Rolle spielt und so kam sie nach Indien um Stille und Frieden zu finden. Gestern hat sie mir verraten, dass sie beides während ihres vierzehntägigen Aufenthalts in diesem Land ausgekostet hat, und aus einem beruflichen Blickwinkel, habe sie in Indien Farben gefunden, von denen sie zuvor nicht mal geträumt hat.

Soshana glaubt, dass es schade um die indischen Maler sei, die nach Paris ziehen um dort zu leben. "Ihre Kreationen sollten aus einem indischen Hintergrund strömen. In Paris kann kein Künstler der französischen Kunst entgehen. Es hat auch keinen Sinn die wunderschönen Skulpturen und die Kunst, die im alten Indien hergestellt wurde, zu kopieren, weil dann die Werke der modernen Künstler nicht mehr kreativ wären. Wir leben in ganz anderen Zeiten."

Soshana erzählte mir, sie wünsche sich, dass die indische Regierung Künstler stärker fördere, und dass sie den Vergabemethoden für Kunstaufträge kritisch gegenüber stehe. "Jedes große Kunstwerk stammt aus dem tiefsten Inneren", erklärte sie. "Man kann nicht von einem Maler verlangen auf eine bestimmte Art zu malen, die Regierung verlangt Modelle und wählt dann eines davon, üblicherweise das falsche. Unter diesen Umständen kann die Kunst nicht mehr kreativ sein."

In den fünfzehn Jahren die sie der Malerei widmete- in den Vereinigten Staaten, im Vereinigten Königreich, auf Kuba und in Paris - hat sie das Lob der Kritiker gewonnen. Pierre Descargues sagte, sie würde "mit einmaliger Leidenschaft und Intensität" malen.

Auch in Kunstgalerien fand sie ausreichend Anerkennung. Ihre Bilder hängen im Museum der modernen Kunst in Paris und in Museen in den Vereinigten Staaten, in Italien und in der Schweiz. Bald macht sie sich auf den Weg nach Peking, wo ihre Bilder ausgestellt werden. Eine andere Sammlung ihrer Arbeiten wird zur gleichen Zeit in New York präsentiert.

Soshana Afroyim gestern in Delhi.