Als Soshana 1948 in Havanna ihre erste große Ausstellung erhielt, beschäftigte man sich in ihrer Heimatstadt Wien noch mit der Beseitigung von Kriegsschäden und über Europa hing eine schwere Wolke der Nachkriegsdepression.
Und als Soshana kurz darauf beschloss, Amerika zu verlassen, um sich nach ausgedehnten Reisen durch Europa im „Mekka der Kunst“ Paris niederzulassen, begann die Kunst in Österreich gerade erst wieder frei zu atmen und neue Wege zu beschreiten.
Nur wenigen österreichischen Künstlern, ganz zu schweigen von österreichischen Künstlerinnen, war es möglich, den Sprung nach Paris oder New York zu wagen, die vorhandenen Arbeits- und Lebensbedingungen waren zu vage und ein wirtschaftliches Überleben schien aussichtslos.
Es bedurfte viel Mutes und einer gehörigen Portion Glück, sich im Paris der 50iger Jahre zu behaupten und Zugang zur Kunstszene zu erhalten. Vor allem als eine aus Österreich stammende Künstlerin, als Frau und Mutter.
Sich in einer männerdominierten Kunstwelt am Aufbruch in die Avantgarde einen Platz zu sichern, den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten (Picasso, Giacometti) und Kulturschaffenden der Zeit zu begegnen und auch noch in vielen persönlichen Künstlerfreundschaften die Gelegenheit zur Weiterentwicklung zu finden, war ein besonderer Verdienst Soshanas. Als Künstlerin und Kosmopolitin wird man nicht geboren, es handelt sich dabei vielmehr um eine innere Haltung, die es ermöglicht - wenn notwendig auch kompromisslos - seinen (ihren) Weg zu gehen und dabei soviel als möglich über sich und die Welt zu erfahren.
Voraussetzungen hierzu sind zweifellos Talent, ein großes Maß an Durchsetzungskraft, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Kommunikation und eine unstillbare Neugierde, kreativ zu schaffen und zu erleben. Darüber hinaus bedarf es vermutlich einer schnellen Auffassungsgabe und Anpassungsfähigkeit gegenüber der Umwelt und nicht zuletzt eines geradezu „männlich“ anmutenden – bedenkt man die zeitlichen Umstände - Selbstbewusstseins. Alles Eigenschaften, die dazu angetan sind, existenzielles und künstlerisches Überleben zu gewährleisten, Unabhängigkeit von Personen und Orten zu leben, die für ihre Generation und ihre Profession mehr als bemerkenswert sind. Die Tatsache, dass sich diese Aspekte mit der klassischen Rolle einer Frau und Mutter nur schwer bis gar nicht vereinbaren lassen, beweisen wohl Soshanas Scheidung von ihrem Künstlerkollegen Beys Afroyim und die Unterbringung ihres Sohnes bei ihrer Familie in Wien.
Die Lust zu Reisen und sich „ein Bild von der Welt“ zu machen, zwingt die Künstlerin in den Fernen Osten, nach Afrika und Asien zu reisen und bringt neue zentrale Einflüsse in ihr Werk. In Peking erhält sie eine Einladung zu einer Ausstellung in den Kaiserpalast, in Afrika porträtiert sie Albert Schweizer, in Indien, Südamerika und Israel werden ihre Arbeiten einem großen Publikum präsentiert. Sie scheint über die besondere Gabe zu verfügen, vor Ort die richtigen (und wichtigen) Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur kennen zu lernen und über Kontakte zu Galeristen eine stetig wachsende Zahl von Sammlern und Liebhabern für ihre Bilder zu finden.
Eine Einladung ergibt die andere, eine Reise folgt auf die nächste. Zwischenzeitig, nach mehreren Ausstellungen in Paris, London und Zürich, übersiedelt Soshana für kurze Zeit nach Jerusalem, um sich 1974 für die nächsten zehn Jahre in New York niederzulassen.
Im Gepäck hat sie eine Vielzahl von Werken verschiedensten Ursprungs, die unter Einfluss von diversen Kulturen entstanden sind, sowie ein weltweit verzweigtes Netz an Kontakten und persönlichen Beziehungen.
Vollkommen unberührt von der so genannten „Krise der Malerei“ in Europa und dem Umstand, dass das Tafelbild mehr als nur einmal „totgesagt“ wurde, die Malerei also eigentlich als obsolet galt, verwirklicht Soshana neun Einzelausstellungen im „Neuen Mekka der Kunst“ New York und begegnet Künstlern wie Marc Rothko oder Francesco Clemente. Unabhängig von Zeitgeist und Avantgarde - im übrigen Verlockungen, denen sie zu jeder Zeit und überall widersteht - arbeitet sie weiterhin mit vitaler und ungebrochener Kontinuität an ihrer Malerei und Zeichnung.
Die Rückkehr in ihre Geburtsstadt Wien 1985 kann wohl als Versuch, sich endgültig an einem Ort niederzulassen und im Kreise ihrer Familie zu leben, gelesen werden. Ihre künstlerische Umtriebigkeit und Rastlosigkeit, gepaart mit einer noch immer vorhandenen Neugierde, das Neue, das Andere im Bild festzuhalten, lässt viele Reisebilder - ihre Lust zu Reisen ist ungebrochen - und Serien von Zeichnungen entstehen, die ihr Œuvre zusammenfassen. Deutlich erkennbar sind dabei Reminiszenzen an vorhandene Werkserien und ein Prozess der Verdichtung im Spätwerk.
Einmal um die Welt und zurück, nicht in 80 Tagen, aber immerhin in beinahe 80 Jahren, ist Soshana als Malerin und Kosmopolitin (mit österreichischen Wurzeln) gereist.
Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat sie an den neuralgischen Schnittpunkten der modernen Kunstszene und in fernen Ländern verbracht. Sie hat als Jüdin, aus Wien vertrieben, ihr Leben obsessiv der Malerei gewidmet, war in den 50iger Jahren mit Giacometti, Picasso, Brancusi und Sartre bekannt und hat in den darauf folgenden Jahren enge Kontakte zu den Künstlern der Gruppe COBRA gepflegt. Namhafte Persönlichkeiten aus Politik und Kultur haben sich von ihr porträtieren lassen, und in ausgedehnten Studienreisen hat sie ihren künstlerischen Horizont stetig erweitert. Ihre Werke wurden von Tokio bis Paris, von New York bis Sao Paolo einer großen Öffentlichkeit gezeigt und befinden sich in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen.
Reisen und Malen sind bis heute die beiden Determinanten ihres Lebens.
Der Lohn dafür ist ein umfangreich erhaltenes Gesamtwerk von unzähligen Leinwänden und Arbeiten auf Papier.
Der Preis ist möglicherweise eine einzigartig spannende aber auch einsame Lebensgeschichte einer selbstbewussten und dominanten Frau und Künstlerin, die es ihren männlichen Kollegen gleich getan hat, indem sie konsequent und kompromisslos, ungehindert und unbelastet ihren künstlerischen Weg gegangen ist.
Ulli Sturm, 2005, Geschäftsführerin d. Kunstvereins Kärtnen, Kunsthistorikerin