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Laudation
at the awarding of the Austrian Cross of Honour for Science and Art
  
Mit Soshana wird heute eine Persönlichkeit geehrt, die nicht nur eine international bekannte Künstlerin ist, sondern deren Schicksal eines ist, das mit der Tragödie des 20ten Jahrhunderts gleich in mehrfacher Weise zusammenhängt. Dass Soshana heute einen der höchsten Orden erhält, den Österreich zu vergeben hat, ist nicht nur Anerkennung, sondern auch ein Stück Wiedergutmachung, sollte so etwas überhaupt möglich sein.
 
Aber – nimmt man alles in allem – hat sich ein Kreis geschlossen. Von Wien in die Welt und wieder zurück nach Wien. Nach Außen mag dieser Kreis allerdings geschlossener sein, als nach Innen. Denn der Verlust der Heimat, noch dazu ein erzwungener, ist ein endgültiger. Nie mehr kann das Selbstverständnis der angeborenen und eingeborenen Heimat wiederhergestellt werden. „Er zog seine Wurzeln hinter sich her“ lässt Knut Hamsun seinen Protagonisten in einem seiner Romane erkennen. Viele Emigranten waren sich bewusst, dass sie bestenfalls Heimaten, aber keine Heimat mehr gefunden haben.
 
Geboren wurde Soshana 1927 in Wien, als Wien, wenn auch im klein gewordenen Österreich, noch eine Stadt mit vielfältiger Kultur und Tradition des alten Vielvölkerstaates war. Wien war vor allem eine Stadt mit langer und lebendiger jüdischer Kultur. 1938 musste die Familie fliehen. Denn für politisch wache Menschen war schon das Ende dieser Vielfalt abzusehen – auch wenn man die wahre Tragödie noch nicht absehen konnte. Es war eine lange Flucht und sie führte an viele Orte, London, Paris, New York. Aber für das 11jährige Mädchen, das Soshana 1938 war, war es nicht nur eine Reise ins Ungewisse, es brach für sie eine völlig neue Welt an, die ihr Leben fortan bestimmte. Sie entdeckte für sich die Malerei und sie wurde ihr Lebenssinn und Lebensinhalt, dem sie alles opferte, auch eine sichere Existenz, oder eine familiäre Bindung. Ihre eigene Kunst, aber auch das Leben mit Künstlern, besonders in Paris und New York, die Achtung, die ihr von den Künstlerkollegen entgegengebracht wurde, war wertvoll und brachte künstlerischen und menschlichen Gewinn und Erfolg.
 
Rund um die Welt führte sie ihr Lebensweg und es scheint, als hätte sie gar keine geografische Heimat gebraucht, denn ihre Heimat wurde die Kunst. Die Vielfalt der alten Heimat suchte und fand sie auf der ganzen Welt – in allen Erdteilen und zahllosen Ländern. Wobei Länder und Städte darunter waren, die für sie etwas Besonderes waren, wie Kuba und Mexico, oder auch China und Japan, aber auch New York und Paris. Und überall fand sie zur Kunst. Sie schuf Eigenes aus den Beobachtungen und Erfahrungen der fremden Traditionen und sie verwandelte sich Fremdes an und machte es zu Eigenem. Sehr originär und sehr authentisch. Die Faszination des Reisens, das immer wieder Eintauchen in eine andere Kultur wurde zur Obsession von Soshana. Vielleicht war manches auch eine weitere Flucht, allerdings nicht mehr aus Angst vor Vernichtung von Leib und Gut, sondern aus Neugier. Vielleicht auch aus Sehnsucht und Hunger nach dem Neuen, Anderen, noch nie Gesehenen und oftmals gar nicht Erwartetem.
 
Eine Besonderheit bei Soshana ist ihre Offenheit. So absichtslos und vorurteilslos wie irgend möglich zog sie von Land zu Land, von Kultur zu Kultur und überall fand sie, was sie gar nicht gesucht hatte, eben weil sie nicht mit Vorurteilen, sondern mit offenem Herzen und offenem Geist unterwegs war und sich im besten Sinn treiben liess, bereit zur Aufnahme und Bewunderung. So konnte sie in relativ kurzer Zeit den Sinn der asiatischen Kalligrafie erkennen und für ihre eigene Arbeit umsetzen – um nur ein Beispiel aus ihrem reichen Kunstschatz anzusprechen.
 
Und dann kam doch wieder Wien. Die Stadt, von der sie ausgezogen war als kleines Mädchen wurde zu einem Refugium für die ältere Frau. In Wien fand sie auch zu ihrem Sohn Amos, der alles für sie tut, was man für eine Mutter, vor allem aber, was man für eine Künstlerin tun kann. Er ordnet ihre Werke, die aus aller Welt nach Wien kamen, er organisiert Ausstellungen und ist dabei eine umfassende Monografie zu erstellen, an der ich mitarbeiten darf, was mich sehr freut. Außerdem wird das Buch im äußerst renommierten Verlag Springer erscheinen, der seine Verlagsrepräsentanz in Wien und New York hat. Also wieder kommt Soshana mit ihrer Kunst hinaus aus Wien in die Welt. Soshana hat in Künstlerkreisen – v.a. in New York und unter ihren älteren Freunden – einen guten Namen, aber das Buch wird die Künstlerin weiter bekannt machen, auch jüngere Kollegen werden ihre Werke kennenlernen und das ist gut so. Tradition wird weiter getragen und auch wenn sich die Kunstszene rasch und oftmals sehr kurzfristig ändert, es geht nichts verloren. Das ist vielleicht eines der Geheimnisse künstlerischer und geistiger Substanz – es geht nichts verloren.
 
Liebe Soshana, von ganzem Herzen möchte ich Ihnen zu der Ehrung gratulieren. Sie wird einer Würdigen zuteil, einer Persönlichkeit, auf die Österreich stolz sein kann. Aber ich hoffe, dass auch Sie sich freuen über die Anerkennung, mit der zum einen ihre Kunst, zum anderen aber auch Ihre Lebenshaltung geehrt wird.
 
Angelica Bäumer  - Vienna, May 27, 2010